Der Sympat

Der Sympat

Kia bringt mit dem Soul ein freundliches Automobil, das ganz nebenbei das erste Fahrzeug einer neuen Gattung ist. Die Smart-Urban-Sport-Utilitys, kurz SUSU, sind geboren. Bald folgen Toyota und Citroën mit Urban Cruiser und C3 Picasso diesem Trend. Der Kia fährt derweil schon mal frech vorneweg. (Text: Michael Blumenstein / Fotos: Uli Sonntag)

Frech sieht der Soul in der Tat aus. Dicke Backen, bullige Stoßfänger mit angedeutetem Rammschutz, steile Frontscheibe und schwarz lackierte A-Säulen verströmen SUV-Flair. Die kubusartige Form soll gleichermaßen für stadttaugliche Übersichtlichkeit und nutzwertorientiertes Platzangebot sorgen.

Viel Platz
So offeriert der rund 4,10 Meter lange, 1,80 Meter breite und etwas über 1,60 Meter hohe Soul im Interieur tatsächlich hervorragende Platzverhältnisse. Hinten können zwei Zwei-Meter-Riesen bequem sitzen. Der Knieabstand ist besser als bei den meisten Airlines (Economy) und der Kopfraum konzeptbedingt üppig. Vorne mangelt es ebenfalls nicht an Bewegungsfreiheit. Dafür stören die zu hoch montierten, konturlosen Sitze, die in den Ausstattungslinien Soul und Attract (Basis) nicht einmal höhenverstellbar sind. Zudem lässt sich das Lenkrad nur in der Höhe verstellen und vermiest so echtes Wohlfühlambiente.

In das Heck des Soul passen 222 Liter Gepäck. Für Kleinkram steht ein geteiltes 100-Liter-Fach unter dem doppelten Ladeboden bereit (nicht bei der Basis). Das Einpacken gelingt dank weit aufschwingender Heckklappe einfach. Kinderleicht können die hinteren Sitze umgeklappt werden, womit sich ein ebener Ladeboden ergibt. Das ist aber alles, was der Soul an Variabilität bietet. Es gibt keinen klappbaren Beifahrersitz, keine Durchreiche in der 60 zu 40 geteilten Rücklehnen und keine verschiebbare Sitzbank. Hier hat Kia eine Chance verpasst.

Für Audiophilisten
Dafür gefallen die ordentliche Verarbeitung, das übersichtliche Cockpit und die einfache Bedienung. Highlight ist in jedem Soul das CD-Radio mit USB- und Aux-Adapter. Der iPod wird einfach via Radio gesteuert. Weniger schön sind dagegen die Materialien an Lenkstockhebeln und Türzuziehgriffen. Hier verwendet Kia billigen Softlack, der schon vom Fingernagel Kratzer erhält. Unzeitgemäß: Beim Soul gibt es keinen Bordcomputer, ergo keine Verbrauchsanzeige und andere wichtige Informationslieferanten. Netterweise spendierte man ihm eine Außentemperaturanzeige im Radiodisplay.

Der Diesel kann’s
Zwei bekannte 1,6-Liter-Motoren gibt es zur Markteinführung am 6. Februar 2009. Auf dem Papier unterscheiden sie sich nur marginal. 128 PS schafft der Common-Rail-Diesel, 126 PS der Benziner. Aber nur der CRDi harmoniert mit dem rund 1,4-Tonnen schweren Fronttriebler. Nach kurzer Warmlaufphase weicht das anfängliche Nageln einem angenehmen Knurren. Kräftig legt sich der Sechzehnventiler ins Zeug und leitet von unten raus ordentlich Drehmoment (maximal 260 Newtonmeter) ausschließlich an die Vorderräder, die bei Nässe schnell überfordert sind.
Anders der Benziner: Er wird erst obenrum wach. Dann allerdings kombiniert er seine vorhandene Quirligkeit mit ungebührlicher Lautstärke – helfen könnte hier schon eine einfache Motordämmmatte.
Erschwerend kommt zur Drehmomentschwäche noch eine unpassende Übersetzung des serienmäßigen Fünfgang-Getriebes hinzu. Die ersten drei Gänge sind zu lang ausgelegt – die dritte Fahrstufe reicht bis über 140 km/h – die fünfte ist hingegen zu kurz.
Beide Euro-4-Motoren beschleunigen den Soul in etwa elf Sekunden vom Stand weg in den dreistelligen Tempo-Bereich und lassen ihn rund 180 km/h schnell werden – mit annähernd 130 PS ist das nicht wirklich flott. Dafür soll der Soul trotz seines Cw-Wert-Defizits ein Kostverächter sein. Laut Kia laufen pro 100 Kilometer nur 5,2 Liter (137 Gramm CO2 pro Kilometer) Diesel durch die Einspritzdüsen. 6,5 Liter (154 Gramm) Benzin sind’s nach Norm beim Otto.

Astreines Fahrverhalten
Eine Glanzleistung legten die Kia-Ingenieure bei der Abstimmung des an der Vorderachse mit McPherson-Federbeinen und hinten mit Verbundlenkerachse werkelnden Fahrwerks hin. Sicher, flink und komfortabel. Der Kompromiss aus all den Anforderungen ist keiner, denn die Abstimmung ist optimal. Trotz der am Testwagen (Ausstattung Spirit) montierten 18-Zoll-Felgen mit 225 Millimeter breiten Reifen ist der Federungskomfort für diese Fahrzeugklasse bemerkenswert gut. Gleichzeitig können ambitionierte Piloten mit dem Soul dermaßen heftig in die Kurven knüppeln, dass den Passagieren das Grinsen vergeht. Dabei ist er selbst mit deaktiviertem ESP lammfromm und schiebt erst spät über die Vorderachse zum Kurvenaußenrand. Lastwechsel lassen den Kia kalt.

Individual
Vier Ausstattungsvarianten gibt es für den Soul, wobei die Einstiegsversion eigentlich nicht zur Debatte steht. Hier fehlt die Klimaanlage. Also in jedem Fall die nächsthöhere Version Attract wählen und 15.900 Euro latzen. Weitere Einzeloptionen gibt es nicht. Lediglich beim Topmodell Spirit kann man ein wenig konfigurieren. Rot oder Beige fürs Interieur kostet 250 Euro. Für 560 Euro gibt es das Styling-Paket mit Schiebedach und Dachspoiler. Wer das Styling-Paket mit dem Sound-Paket ordert, erhält für 960 Euro noch einen Subwoofer, einen Verstärker sowie einen Centerspeaker.
Die für Nerds (eigentlich braucht man sie nicht) empfehlenswerte Rückfahrkamera ist im Sicht-Paket enthalten, das nur in Verbindung mit dem Styling- und dem Sound-Paket für 1.440 Euro geliefert wird. Die Kamera sitzt, ungeschützt gegen Schmutz, unter dem Heckklappen-Öffner. Das Bild wird beim Einlegen des Rückwärtsgangs auf dem 3,5-Zoll-Display im Innenspiegel eingeblendet. Auch die 18-Zoll-Räder sind an die teuerste Ausstattung gekoppelt, auf 15-Zoll-Rädern (Serie) darf man den Soul eigentlich nicht auf die Straße lassen.
Alles in allem ist der Koreaner kein Schnäppchen. Das soll aber laut Kia-Technikchef, Hans van Gent, kein Minuspunkt sein, denn „der Soul ist der erste Kia, bei dem die Kunden emotional ihr Wunschmodell zusammenstellen und dann erst auf den Preis schauen“. Mit Erstaunen wahrscheinlich. So kostet ein schicker Soul CRDi saftige 21.000 Euro.

Fazit
Der Kia Soul ist eine sympathische Universalwaffe, die das Straßenbild definitiv bereichert. Und er ist der erste einer neuen Fahrzeuggattung. Toyota Urban Cruiser und Citroën C3 Picasso folgen in einigen Wochen und werden dem Koreaner Paroli bieten.
Für den Soul sprechen sein Design, das erstklassige Fahrwerk, die guten Platzverhältnisse und die Fünf-Jahres-Garantie ohne Kilometerbegrenzung. Bei den Motoren sollte man zum Diesel greifen. Der kostet zwar 1.700 Euro mehr als der schlappe Benziner, passt aber viel besser.